Abschaffung von Steuerklassen III und V – Millionen von Steuerzahlern wären betroffen

Die Bundesregierung, bestehend aus SPD, Grüne und FPD unter Bundeskanzler Olaf Scholz, hat im Koalitionsvertrag eine Abschaffung der Steuerklassen III und V festgehalten. Laut aktuellen Medienberichten arbeitet das Bundesfinanzministerium unter Leitung von Finanzminister Christian Lindner zum aktuellen Zeitpunkt an einer Umsetzung dieser Pläne. Eine entsprechende Änderung würde betroffene Steuerzahler mitunter bereits zum 1. Juli des aktuellen Jahres ereilen – aber was genau ändert sich dadurch?

Warum plant die Bundesregierung eine Neuaufstellung der Steuerklassen?

Die geplante Änderung der Ampel-Regierung beträfe zunächst einmal lediglich Ehepartner und eingetragene Lebenspartner. Single-Steuerzahler oder Paare ohne gemeinsame steuerliche Veranlagung sind folglich nicht davon betroffen. Kerngedanken hinter dieser Neustrukturierung sind zweierlei: Einerseits erhofft sich die Ampel-Regierung damit mehr Frauen in die Erwerbstätigkeit zu bringen, andererseits möchte man die Differenz zwischen im Voraus gezahlter Lohnsteuer und der tatsächlichen Steuerlast reduzieren.

Dabei ist wichtig die aktuelle Funktionsweise des Splittings bei Ehe- und eingetragenen Lebenspartnern zu verstehen. Diese haben die Möglichkeit ein „Splitting“ zwischen Steuerklasse III und V zu nutzen, um im Gegenzug ihr effektives monatliches Netto-Haushaltseinkommen durch damit entstandene Steuervorteile zu steigern. In der Praxis begibt sich der Besserverdiener dafür in die Steuerklasse III, die schlechter verdienende Person in Steuerklasse V. So reduziert sich die Steuerlast des Besserverdieners, ein Teil der Steuern wird stattdessen auf den Schlechterverdiener in der Steuerklasse V umgemünzt – in der Summe führt das aber im Regelfall zu einer Steuerersparnis, wenn beide Einkommen ganzheitlich aufaddiert betrachtet werden und daraus das Nettoeinkommen gebildet wird.

Bei einer praktischen Umsetzung der Pläne der Ampel würde dann nur noch jeder Partner den Lohnsteueranteil zahlen, der entsprechend seines eigenen Bruttoeinkommens fällig ist. Der besserverdienende Partner würde folglich mehr, die schlechtverdienende Partei hingegen weniger zahlen. Es kommt also, bei der Betrachtung beider Eheleute oder Partner gemeinsam, nur zu einer Verschiebung der jeweiligen Steuerlasten.

Welche Partei hat die Abschaffung vorgeschlagen?

Alle drei regierenden Parteien haben sich über den Koalitionsvertrag auf die Abschaffung geeinigt. Laut Medienberichten war es allen voran die Partei die GRÜNE, die sich für die Abschaffung stark machte und selbige als Bedingung an die Regierungsbildung knüpfte. Politiker der Grünen sehen das Ehegattensplitting als ungerecht und argumentieren, dadurch entsteht eine pauschale Benachteiligung von erwerbstätigen Frauen. Des Weiteren würde das Ehegattensplitting, so die Argumentation der Grünen, ein veraltetes gesellschaftliches Bild vermitteln – mit dem Mann als Verdiener und der Frau als Hausfrau, Mutter oder „Geringverdiener“.

Die besondere Stellung von Frauen bei dem aktuellen Steuer-Splitting

Die Ampel-Regierung schlug das neue Steuerkonzept im Koalitionsvertrag vor, um mehr Frauen in die Erwerbstätigkeit zu bringen oder diese zu motivieren, ihre Stundenanzahl (und damit den Verdienst) zu steigern. Zum aktuellen Zeitpunkt, so die Argumentation der regierenden Parteien, lassen sich viele Frauen (die überdurchschnittlich oft schlechter als ihre Männer verdienen) in die Steuerklasse V einordnen. Durch die Neugliederung und daraus resultierende einkommensorientierte Steuerlast pro Person sollen diese Frauen also einen Anreiz erhalten, indem sie persönlich künftig weniger Steuern zahlen – da sie nicht mehr den Teil des besserverdienenden Partners aus Steuerklasse III mit übernehmen.

Was plant die Bundesregierung nach der Abschaffung von Steuerklasse III und V?

Sofern es tatsächlich zu einer Abschaffung kommt, muss selbstverständlich ein Ersatz her. Die Bundesregierung sieht diesen in der Steuerklasse IV beziehungsweise IV mit Faktor. Nach einer Eheschließung würden beide Partner also automatisch in die Steuerklasse IV eingeordnet werden. Sofern beide Partner ungefähr ebenbürtig verdienen, sollen sie dann in dieser Steuerklasse verbleiben.

Gibt es hingegen gravierende Verdienstunterschiede zwischen beiden Partnern, sieht die Ampel-Regierung die Nutzung von Steuerklasse IV mit Faktor vor. Bei der Nutzung des „Faktors“ wird das Finanzamt etwaige Splittingvorzüge bereits innerhalb des laufenden Jahres berücksichtigen. Dafür errechnet das zuständige Finanzamt zunächst die wahrscheinliche Steuerlast des Ehepaares, im Anschluss wird diese Gesamtsumme durch zwölf geteilt, für zwölf Monate des Jahres, und so der monatliche Lohnsteuereinzug festgelegt. Daraus sollen laut den Ampel-Vertretern möglichst geringe Abweichungen zwischen bereits geleisteter und tatsächlicher Lohnsteuerlast entstehen, wodurch sich im Gegenzug etwaige hohe Rück- oder Nachzahlungen umgehen ließen.

Rechenbeispiel zur aktuellen Steuerbelastung bei Ehepaaren

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat im Zuge der Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag eine Studie angefertigt und eigene Berechnungen angestellt. Die Publikation von Stefan Bach, Peter Haan und Katharina Wrohlich ist hier kostenlos einzusehen.

Die Wissenschaftler führen als Beispiel Frauen mit einem Jahresbruttolohn zwischen 20.000 und 35.000 Euro an. Das Gros der erwerbstätigen Frauen in Deutschland, die sich in einer eingetragenen Lebensgemeinschaft oder eine Ehe befinden, verdient in diesem Spektrum. Durch die Eingliederung in Steuerklasse V zahlen betroffene Frauen etwa 11 bis 12 Prozentpunkte mehr Steuern, da sie einen Teilverdienst des besser gestellten Partners in Steuerklasse III übernehmen.

Sofern eine entsprechende Reform ihren Weg in die Legislative findet, würden Frauen aus dem oben genannten Beispiel fortan jährlich rund 11 bis 12 Prozent Lohnsteuer weniger zahlen, was einem zusätzlichen monatlichen Netto von ungefähr 200 bis 300 Euro entspricht.

Wann sollen die Steuerklassen abgeschafft werden?

Zum aktuellen Zeitpunkt handelt es sich lediglich um ein geplantes Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag. Ursprünglich wurde als Umsetzungsziel der Sommer 2023 genannt, mindestens wäre der Plan bis zum Jahr 2025 umzusetzen – danach kommt es zu Neuwahlen. Es ist aber keinesfalls sicher, dass es überhaupt zu einer Abschaffung kommt – nicht jedes einzelne Vorhaben aus einem Koalitionsvertrag wird letztlich tatsächlich in die Praxis realisiert.

Was sagen Experten zu dem Vorhaben?

Die DIW-Wissenschaftler zeigen sich in ihrer Studie skeptisch und bezeichnen das Vorhaben lediglich als „ersten Schritt zur Gleichstellung von Frauen im Arbeitsleben“. Dennoch lässt sich das Ehegattensplitting durch die Steuerklasse IV mit Faktor letztlich nach wie vor umsetzen – auch heute schon. Das wird von Eheleuten nur selten genutzt, da eine komplexe Beantragung erforderlich ist, die zudem alle zwei Jahre wiederholt gehört. Die DIW-Wissenschaftler bemerken, dass die Beantragung viele Eheleute davon abschreckt, die Steuerklasse IV mit Faktor zu nutzen – und eine effektivere Lösung das Realsplitting wäre, was untere und mittlere Einkommen stärker entlasten könnte.