Stipendiatin des Schlechte-Noten-Stipendiums 2017

Von Juli bis November haben wir unser Schlechte-Noten-Stipendium für Studierende einer deutschen Hochschule angeboten. Bis zum Ende der Bewerbungsfrist  haben sich außerordentlich viele Studenten/innen beworben. Die Resonanz war sehr positiv und hat unsere Erwartungen um ein Vielfaches übertroffen. Deshalb an dieser Stelle ein großes Dankeschön an die Vielzahl von Bewerber/innen, die teilgenommen haben.

2.537 Bewerbungen für das Schlechte-Noten-Stipendium

Unter den 2.537 Bewerber/innen waren wirklich sehr viele interessante Bewerbungen und viele hätten unserer Meinung nach eine Förderung verdient. Am Ende ist unsere Wahl auf Marie gefallen, weil sie uns mit ihrer Bewerbung und ihrem Schicksal auf ein gesellschaftliches Problem aufmerksam gemacht hat, von dem sie selbst betroffen ist.

Wer erhält das Schlechte-Noten-Stipendium?

Name: Marie-Kristin Rinas
Studiengang: Erziehungswissenschaft

Marie-Kristin Rinas auf einer Bank
Foto von Michael Belogour (http://www.mbelogour.com)

Wie bist Du auf das Schlechte-Noten-Stipendium aufmerksam geworden?

Ich bin über Facebook auf euer Stipendium aufmerksam geworden. Da wurde das „Schlechte-Noten-Stipendium“ von verschiedenen Unis und mystipendium.de geteilt.

Was war Dein erster Eindruck vom Stipendium?

Ich war total begeistert! Ein Stipendium für Studierende, die große Herausforderungen in ihrem Studium meistern müssen und nicht aufgeben, auch wenn einiges schief läuft, gibt es in der aktuellen Stipendienlandschaft so gut wie gar nicht. Ich glaube, dass ihr (VEXCASH) mit der Vergabe dieses Stipendiums gezeigt habt, dass Studierende, die aus der Norm rausfallen, auch fördernswert sind, gerade weil sie durch schwierige Bedingungen besonders viel leisten müssen.

Großartig wäre, wenn es bald mehr Stipendien für Studierende in Lebenssituationen mit besonderen Herausforderungen geben würde!

Hast Du dir Chancen ausgerechnet, dass das Stipendium an Dich geht?

Ich hätte niemals damit gerechnet, dass ich das Stipendium erhalte! Als ich dann auch noch auf eurer Seite gelesen habe, dass sich über 2.500 Studierende beworben haben, hielt ich das für vollkommen ausgeschlossen, ausgerechnet die eine Person zu sein, die das Stipendium erhält. Auch als ich die Zusage bekam, schien es mir surreal, dass ich tatsächlich ausgewählt wurde.

Kannst Du kurz beschreiben, warum Du dich für unser Stipendium beworben hast?

Sehr gerne. In meinem Studium der Erziehungswissenschaft gibt es zwei Pflichtmodule Statistik. Das erste Modul habe ich geschafft, wenn auch mit einer schlechten Note. Spätestens beim zweiten Modul bin ich dann aber in eine schwere Krise gestürzt. Zuhören – ja, Verstehen – Nein! Ein Abschluss ohne Statistik ist leider nicht möglich. In dieser Krise habe ich versucht, den Grund für mein Verhalten herauszufinden und die Diagnose lautete: Dyskalkulie. Seit diesem Tag ist meine Mission wie in Stein gemeißelt: Ich möchte für eine Verbesserung der rechtlichen Situation für Menschen mit Dyskalkulie kämpfen, denn weder Krankenkassen, noch staatliche Institutionen sind dazu verpflichtet, die Kosten für die Therapie zu übernehmen.

Ich möchte mich für einen Nachteilsausgleich im Bildungssystem stark machen, denn ich bin kein Einzelfall und genau deshalb muss sich etwas an dieser Situation ändern! Dazu zählen auch gut ausgebildete Pädagogen, die sich mit der Dyskalkulie auskennen, sodass eine Früherkennung möglich ist. Dieses Anliegen verfolge ich auf verschiedenen Ebenen und möchte gleichzeitig natürlich eine gesellschaftliche Sensibilisierung für dieses Thema erreichen.

Dadurch, dass meine Dyskalkulie während der Schulzeit nicht erkannt worden ist und sich meine Situation im Studium durch die späte Diagnose nun ganz schön zugespitzt hat, ist derzeit auch nicht klar, ob ich mein Studium der Erziehungswissenschaft durch meine Krankheit und dem Pflicht-Modul Statistik abschließen kann. Gerade in dieser belastenden Situation auf die Problematik einer späten Diagnose und deren Folgen in meinem Studium aufmerksam zu machen, waren für mich ausschlaggebend, um mich nach langem Überlegen dann in letzter Sekunde doch noch zu bewerben.

Was ist Dyskalkulie?
Dyskalkulie bezeichnet eine Beeinträchtigung von Rechenfertigkeiten, die nicht allein durch eine allgemeine Intelligenzminderung oder eine unangemessene Beschulung erklärbar ist. Den betroffenen Kindern und Erwachsenen fehlen das nötige Mengenverständnis und die Zählfertigkeiten, um die Grundrechenarten erlernen zu können. Sie verstehen Zahlen als reine Symbole, nicht als Mengenangaben. Damit fehlt ihnen bereits das wesentliche Handwerkszeug, um Lernschritte in der Mathematik zu verinnerlichen.

Quelle: BVL – Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie e. V. (vom 08.12.2017)

Was wirst Du mit den 6.000 EUR machen?

Mein erster Schritt wird sein, die Dyskalkulie-Therapie mit dem Geld zu bezahlen, welche die Grundlage für alles Weitere sein wird. Dass dies nun möglich ist, ist für mich das größte Geschenk! Ansonsten werde ich das Geld natürlich dafür nutzen, um mich voll und ganz auf meinen weiteren Studienverlauf konzentrieren zu können, wie immer dieser auch aussehen mag. Mein größter Traum ist es, in ferner Zukunft ein Masterstudium aufnehmen zu können, bestenfalls mit einer engmaschigen Betreuung und der Gewährleistung eines Nachteilsausgleichs – sollte ich dies brauchen.

 

Mit unserer Förderung von 6.000 Euro möchten wir Marie auf ihrem Weg und ihrer Mission unterstützen und sind davon überzeugt, dass unser Stipendium „in guten Händen“ ist.

Liebe Marie, wir hoffen, dass wir Dein Leben ein Stück weit erleichtern können und wünschen Dir das Beste, damit du Deine Ziele erreichen wirst!